Aktionswoche Schuldnerberatung AG Schuldnerberatung der Verbände

Thema: „Was können wir uns noch leisten? Überschuldungsrisiko Inflation“

Schuldnerberatungsstelle von AWO und DGB in München sieht

steigendes Überschuldungsrisiko durch Inflation

 

Eine weiter steigende Nachfrage nach Schuldnerberatung sieht die Leiterin der Schuldnerberatung von AWO und DGB in München als Folge der Inflation. „Das Überschuldungsrisiko steigt“, sagt Inge Brümmer zu Beginn der Aktionswoche Schuldnerberatung der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) am 12. Juni.

„Viele Menschen machen sich große Sorgen und sind verunsichert, wie sie die Zukunft bewältigen können. Das erleben wir tagtäglich in unserer Schuldnerberatung. Der Bedarf an Beratung ist im letzten halben Jahr deutlich gestiegen, im Mai waren es mit 66 Anfragen ca. 10 Prozent mehr als vor sechs Monaten. Ratsuchende müssen aktuell über drei Monate auf einen persönlichen Termin warten.“

Das Motto der Aktionswoche Schuldnerberatung, `Was können wir uns noch leisten? – Überschuldungsrisiko Inflation‘ gibt die Stimmung ganz gut wieder, kommentiert Inge Brümmer die Situation. Es sei deutlich zu spüren, dass die meisten Waren, Energie, Mieten und andere Dinge teurer geworden seien. „Haushalte mit knappem Einkommen trifft es besonders hart“, betont die Leiterin der Schuldnerberatung.

Nicht wenige Haushalte müssen bis zur Hälfte ihres Einkommens allein für den Wohnraum ausgeben. Eine Entspannung der Situation ist insbesondere wegen der hohen Mieten in München nicht in Sicht.
Umso schwieriger ist es dann für Haushalte mit geringem Einkommen, die gestiegenen Energiekosten und die deutlich teureren Lebenshaltungskosten zu stemmen.

„Als eine der gemeinnützigen Schuldnerberatungen ist es uns ein Anliegen, in der Diskussion über Inflation und ihre Folgen die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, die aufgrund ihrer Einkommenssituation besonders von der Inflation betroffen sind“, sagt Inge Brümmer. Daher unterstützt sie mit Nachdruck die Forderungen der AG SBV zur Aktionswoche Schuldnerberatung.

Die AG SBV fordert: „Wir brauchen einen gesetzlichen Rechtsanspruch auf Schuldnerberatung“.  Denn die Zugänge zur kostenlosen Schuldnerberatung seien deutschlandweit sehr uneinheitlich. In München gebe es erfreulicherweise keine Zugangsbeschränkungen, ein Ausbau sei jedoch angesichts des deutlich wachsenden Beratungsbedarfs weiterhin notwendig.

Die Schuldnerberaterin fordert außerdem einen gesetzlich geregelten Pfändungsschutz von existenzsichernden Leistungen, insbesondere solche, die zweckgebunden zum Inflationsausgleich gezahlt werden. Solange es den nicht gebe, sei eine finanzielle Abwärtsspirale für viele Haushalte vorprogrammiert. Diese führe dann auch dazu, dass die grundlegendsten Dinge wie Strom oder Gas nicht mehr bezahlt werden könnten, so dass es zu Energiesperren komme. „Mit allen Schuldnerberatungen der Verbände fordern wir: Keine Energiesperren für Verbraucherinnen und Verbraucher“.

Um die inflationsbedingten finanziellen Härten auszugleichen, müsse ein unbürokratischer Zugang zu existenzsichernden Sozialleistungen wie dem Bürgergeld möglich sein. Die Ratsuchenden der Schuldnerberatung berichten zunehmend von Überforderung im Umgang mit den Jobcentern: Mögliche Nachfragen beim Ausfüllen von Onlineformularen oder das Beibringen von angeforderten Unterlagen wird durch die Digitalisierung teilweise sogar erschwert.

Die direkte Kontaktaufnahme mit den zuständigen Sachbearbeiter*innen ist nicht mehr möglich. Die Kommunikation erfolgt fast ausschließlich per Mail, oder telefonisch über die oft überlastete Hotline. Wartezeiten von 10 Minuten sind hier eher die Regel als die Ausnahme. Nicht selten kommt es vor, dass nach einigen Minuten Wartezeit die Leitung abbricht.

Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass es mittlerweile digitale Angebote zur Meldung und Terminvereinbarung gibt. Bürger*innen ohne ausreichende Erfahrung oder Ausstattung mit digitalen Medien sind jedoch hiervon ausgeschlossen. Eine Hilfestellung beim Ausfüllen der umfangreichen Formulare wird nicht angeboten. Dadurch erfolgt eine Verlagerung der Anfragen und Beratungsbedarfe auf andere soziale Einrichtungen wie z.B. die Schuldnerberatung.

In der Schuldnerberatung erleben wir wiederholt, dass Bürger*innen, die ihre neue Arbeitsaufnahme wegen der schweren Erreichbarkeit der Jobcenter nicht rechtzeitig mitteilen konnten, mit Abzügen von Geldleistungen, bis hin zu Ermittlungsverfahren wg. angeblichen Betrug, konfrontiert sind.

Hat man einen persönlichen Termin erhalten, müssen 45 Minuten zur Klärung aller Fragen ausreichen. Mitarbeitende der Jobcenter räumen im Kontakt mit der Schuldnerberatung ein, dass sie viel zu wenig Zeit für die individuelle Beratung der Bürger*innen haben.

Das Sozialgesetzbuch verpflichtet die Jobcenter nach § 17 SGB 1 Abs. 1, darauf hinzuwirken, dass „der Zugang zu den Sozialleistungen möglichst einfach gestaltet wird, insbesondere durch Verwendung allgemein verständlicher Antragsvordrucke“.

Die erlebte Realität in den meisten Jobcentern widerspricht dieser Vorschrift aus dem ersten Sozialgesetzbuch leider noch viel zu häufig.

 

 

Das Forderungspapier der AG SBV zur Aktionswoche Schuldnerberatung 2023